Interview - DIW-Präsident Fratzscher: Bahn-GDL-Einigung ist "kluger Kompromiss"
Bahn und GDL haben sich darauf geeinigt, stufenweise ein Wahlmodell für Schichtdienstler einzuführen. Er halte eine flexible Arbeitszeit und eine gute Bezahlung grundsätzlich für sinnvoll, sagt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Denn gesunde, zufriedene Arbeitnehmer seien auch produktiver.
Die Tarifeinigung zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL halte er für "einen klugen Kompromiss, weil man stufenweise auf eine 35-Stunden-Woche runtergeht, aber bis 2029", sagt DIW-Präsident Marcel Fratzscher. "Die Bahn hat also Zeit, neue Lokführerinnen und Lokführer zu rekrutieren und auszubilden - und vor allem ist es optional. Das ist ein kluges Modell."
Es sei klar, dass Deutschland Fachkräfte verlieren wird, so Fratzscher. "Es wird immer so dargestellt, als sei das ein Verteilungskampf." Es gehe aber gar nicht darum, ob die Beschäftigten oder die Arbeitgeber "am längeren Hebel" säßen, denn beide hätten das gleiche Interesse. "Arbeitszeitkürzung, mehr Flexibilität kann durchaus auch im Sinne der Unternehmen sein", erklärt er. "Wenn Menschen zufrieden und gesund sind, sind sie deutlich produktiver."
Die Herausforderung für die Unternehmen sei, die Beschäftigten zu motivieren, ihnen Verantwortung zu geben und auch auf ihre Bedürfnisse einzugehen. "Deshalb sehe ich das relativ entspannt", meint Fratzscher. "Übrigens sind auch höhere Löhne sinnvoll, um mehr Menschen in Arbeit zu bringen." Deutschland habe ein riesiges Potential an Arbeitskräften. "Das größte ungehobene Potential ist die Erwerbstätigkeit von Frauen."